Scott Cunningham
Wicca for the Solitary Practitioner
1988 / Llewellyn Publications / $ 9,95 / ISBN: 0-87542118-0 / 218 Seiten
2002 / Llewellyn Publications / $ 12,95 / ISBN: 0-87542118-0 / 218 Seiten
deutsche Ausgabe: Wicca - Eine Einführung in weiße Magie
2001 / ECON Verlag / EUR 9,95 / ISBN: 3548740146 / 239 Seiten

deutsche Ausgabe: Wicca - Einführung in die Spiritualität und Praxis der Neuen Hexenkunst
2005 / Ullstein Taschenbuch / EUR 8,95 / ISBN:
3548742505 / 239 Seiten


   Über den Autor

Scott Cunningham (1956 – 1993) war und ist auch heute noch einer der bekanntesten Wicca-Autoren. Er schrieb mehr als 15 Bücher zu Wicca-spezifischen Themen. Seine Bekanntheit beeinflusste auch die Veränderung, die in den 80er Jahren stattfand. Er war mitverantwortlich, dass Wicca als Religion mehr in den Blickwinkel der Öffentlichkeit rückte und nicht mehr als „Geheimkult“ praktiziert wurde. Cunningham wurde in verschiedene Traditionen initiiert: 1980 in die „Aridian Tradition“ und 1981 in die „Traditional Gwyddonic Order of Wicca“ und in die „Ancient Pictish Gaelic Tradition“. Außerdem war er ein Initiierter der „American Traditionalist Wicca“. Darüber hinaus war er ein guter Kräuterkenner und brachte mehrere Bücher zu diesem Thema heraus, wie „Magickal Herbalism“ oder „Cunningham’s Encyclopedia of Magical Herbs“. 1983 wurde bei ihm Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert, 1990 infizierte er sich mit Meningitis. Diese beiden Erkrankungen führten zu einer dramatischen Verschlechterung seines Gesundheitszustands. Scott Cunningham starb am 28. März 1993.

Scott Cunninghams “Wicca” ist ein hervorragendes Einsteigerbuch und zugleich auch eines der meist diskutiertesten, umstrittensten Bücher der deutschen Wicca “Szene”. Cunningham hat nämlich in diesem Buch geschrieben, dass man keine Einweihung durch einen Hohepriester oder eine Hohepriesterin benötigt, um sich selbst Wicca nennen zu dürfen und sich selbst in Wicca initiieren kann. Aber dazu mehr im Verlauf dieser Rezension.


Eingangs möchte ich erwähnen, dass die deutsche Übersetzung von „Wicca - A Guide For The Solitary Practitioner“, geschrieben von Waldemar Christiansen, eine der schlechtesten ist, die ich jemals gelesen habe. Sie strotzt nur so vor Übersetzungsfehlern, wie ich noch an Hand einiger Beispiele aufzeigen werde. Auf Deutsch lautet der Beititel der ersten Auflage „Eine Einführung in die weiße Magie“. Worin schon der erste gravierende Übersetzungsfehler liegt. Es gibt keine „weiße Magie“. Magie ist Energie und Energie ist weder weiß noch schwarz, sondern einfach nur Energie. 

Das englische Original zähle ich zu den Einsteigerbüchern schlechthin. Jeder, der sich für die Religion Wicca interessiert, sollte dieses Buch gelesen haben – allerdings auf Englisch, das möchte ich extra noch einmal betonen. 

Veröffentlicht hat Scott Cunningham das Buch im Jahr 1988. Geschrieben hat er es für die Menschen, die sich für die Wicca interessieren, aber weit weg vom nächsten Coven leben. Ihnen wollte er die Möglichkeit bieten, wie er selbst in seinem Vorwort schreibt, die Religion trotzdem leben zu können. Geschrieben wurde es aber auch für Leute, die Wicca alleine praktizieren möchten. 

Cunningham wollte mit seinem Buch die Religion für jeden lebbar und erlebbar machen. Heraus gekommen ist ein brillantes Einsteigerbuch, in dem der Autor vom Aufbau des Altars, magischen Gegenständen, den Esbaten und Sabbaten, bis hin zu Kräutern und Divinationsmethoden alles erklärt, was eine Wicca-Ausbildung zum 1. Grad beinhaltet. 


Nach einer kurzen Abhandlung der Abstammung der Götter, beschreibt Cunningham, was Magie eigentlich ist. Seine damalige Definition lautet „Magic is the projection of natural energies to produce the needed effects.” Also auf Deutsch übersetzt: „Magie ist die Projektion natürlicher Energien, um die benötigten Ergebnisse hervorzubringen.“ . Ein Übersetzungsfehler in der deutschen Version – hier steht: „Magie ist die Lenkung natürlicher Energien, um notwendige Veränderungen herbeizuführen.“ „Projection“ hat aber nichts mit Lenkung zu tun und Veränderungen wären „changes“. 

Im nächsten Kapitel beschäftigt sich der Autor mit den magischen Werkzeugen. Er erzählt vom magischen Gebrauch des Besens, des Zauberstabs, des Räucherkessels, des Kessels, des Athames, des weißen Messers, der Kristallkugel, des Kelchs, der Glocke und des Pentakels. 

Ich kann hier wiederum nicht umhin, die deutsche Übersetzung zu kritisieren. Waldemar Christiansen findet für das „Pentacle“ doch tatsächlich kein besseres Wort als „Drudenfuß“ – das tut richtig weh, wäre doch Pentakel hier der gebräuchlichere und korrekte Ausdruck gewesen. Hier beweist Christiansen, dass er sich mit der Materie des zu übersetzenden Buches weder auskennt, noch damit auseinandergesetzt hat. Denn der grundlegende Unterschied zwischen einem Pentakel und dem Drudenfuß ist, dass das Pentagramm auf zwei Spitzen steht, während beim Drudenfuß eine Spitze zur Erde weist. 

Nach dem Tanz und der Musik kommt der Altaraufbau, wobei Cunningham ganz genau erklärt, wie die magischen Werkzeuge richtig auf dem Altar zu platzieren sind, um sie Gott und Göttin zuzuordnen. 


Im zweiten Abschnitt von „Wicca – A Guide For The Solitary Practitioner“ befasst er sich mit der magischen Praxis. Er beschreibt, wie man seine magischen Fähigkeiten durch Meditation, der richtigen Atmung oder einfach Visualisierung verbessern kann. Anschließend erklärt er, wie man ein Ritual richtig durchführt und welche Vorbereitungen notwendig sind. Schließlich enthält dieser Abschnitt auch noch ein Ritual zur Selbstweihe.

Über den letzten Abschnitt erklärt Cunningham, dass dieser Teil ein komplettes „Buch der Schatten“ ist. Er enthält unter anderem Rituale für die einzelnen Feiertagen, Rituale zur Weihe der magischen Werkzeuge, Chants, Rezepte für Öle und Räucherungen und ein kleines Kräuterbuch, in dem die wichtigsten Kräuter aufgeführt sind. Ein kleiner Teil über Wicca-Symbole und Runen komplettieren diesen letzten Abschnitt.

Im Kaptitel „Concerning Initiation“ (Seite 74 – 76 im Original) schreibt Cunningham schließlich über das, was in der deutschen Wicca-Szene heftig diskutiert wird. Auf der Seite 75 im Original schreibt er „
Many wish to formalize their life within Wicca with a self-initiation ceremony. I’ve included one in Section II for those who feel the need for it.” Damit verweist Cunningham auf das Selbstweihe-Ritual auf der Seite 90 mit der Überschrift „Self Dedication“. Cunningham behauptet also keineswegs, dass man sich selbst in Wicca initiieren kann. Meiner Ansicht nach handelt es sich viel mehr um einen unvorsichtig gewählten Ausdruck des Autors.

Darüber hinaus hält er fest, dass eine Initiation nicht durch einen Menschen, sondern letztendlich durch Gott und Göttin gegeben wird – selbst wenn der Hohepriester oder die Hohepriesterin beim Ritual mit den Göttern in Verbindung steht. Und dass ein Mensch, der Ritualgegenstände besitzt, die Jahreskreisfeste feiert, aber niemals eine Initiation in einem Coven erhalten hat, sich trotzdem Wicca nennen kann. 


Ich persönlich gebe diesbezüglich Cunningham Recht. Wenn jemand die Religion lebt, die Jahreskreisfeste feiert, sich mit Wicca beschäftigt, warum sollte sich Derjenige nicht auch Wicca nennen dürfen? Mir ist jemand, der die Religion lebt, sich mit ihr beschäftigt, aber nicht initiiert ist, viel lieber als jemand, der sich initiierte/r Wicca nennt, aber nicht weiß was er tut. Es gibt einige Wiccas, die die Initiation als Statussymbol betrachten und keine Ahnung über die Aufgaben eines Hohepriesters oder einer Hohepriesterin haben. Initiation ist kein Markenzeichen oder Statussymbol, sondern lediglich eine Abkürzung in der Verbindung zu den Göttern. Durch die Initiation wird das Leben auch nicht unbedingt einfacher, sondern es kommen eine Fülle neuer Aufgaben hinzu, die man bewältigen muss. 

Jemand, der nicht initiiert ist, hat genau so die Möglichkeit, den Kontakt zu den Göttern herzustellen wie ein Initiierter – er braucht vielleicht länger dafür, aber der Weg dorthin steht auch ihm offen. Nicht nur initiierte Wiccas sind echte Wiccas – darin kann ich Scott Cunningham nur voll beipflichten. 


Die Fehler in der deutschen Übersetzung

Wie schon angekündigt, möchte ich mich hier mit einigen „Schmankerl“ in der deutschen Übersetzung befassen. Alle kann ich leider nicht aufzählen, weil das den Rahmen der Rezension sprengen würde. Aber ich finde es einfach an der Zeit, dass die Leser, die ein deutsches Exemplar dieses Buches gekauft haben, erfahren, was sie da eigentlich im Bücherregal stehen haben.


„Rituale und ihre Vorbereitung“ - Seite 74 deutsche Übersetzung: 

"
Möchten sie die alten Götter des Wicca Kultes allein oder in Gesellschaft verehren?
Vielleicht haben sie sympathische Freunde, die sie gern dazu einladen würden. Wenn nicht, dann macht das auch nichts.
"

Original Seiten 53:

"
Do you wish to worship the Old Gods of Wicca privately, or with others? If you have interested (also interessierte, nicht sympathische) friends you may want to invite them to join you. If not, no problem."


Seite 74 deutsche Übersetzung:

Solo Rituale sind im Wicca Kult gang und gäbe. Die Anwesenheit Gleichgesinnter ist eine wunderbare Sache, kann aber auch störend sein.

Original Seiten 53:

Solo ritual is fine when starting out on the Wiccan way. The presence of like-minded people is wonderful, but can be inhibiting as well.

Also übersetzt heißt dies: "
Ein Ritual alleine durchzuführen ist schön (ausgezeichnet), wenn man neu in der Religion Wicca ist." „Gang und gebe“ steht hier nicht. "Die Anwesenheit gleichgesinnter Leute ist wunderbar, kann aber behindernd (hemmend) wirken" (störend ist wiederum falsch übersetzt).


Zum Abschluss möchte ich die „Initiation“, behandeln. Auf der Seite 73 (Übersetzung Seite 96) schreibt Cunningham, dass die meisten initiierten Wiccas in dem Punkt übereinstimmen, dass sich nur derjenige Wicca nennen kann und darf, der initiiert ist. Der Satz „This brings up an interesting question: Who initiated the first Wiccan?“ wurde von Waldemar Christiansen schon einmal weg gelassen.

Den Satz „
Sometimes ‚power is passed’ between the initiator and neophyte as well“ übersetzt er mit “Manchmal wird dem neuen Mitglied auch magische Macht verliehen”. Richtig wäre: „Manchmal wird zwischen dem Initianten und dem Neophyten auch Energie übertragen.


Seite 73/74 Original:
"Surley anyone entering such a group should undergo an initiation, part of which consists of swearing of never to reveal their secrets. This makes sense, and is a part of many coven initiations. But it isn’t the essence of initiation.

Übersetzt wird dies so (S. 97):
"Jeder, der einer solchen Gruppe beitreten möchten wird einer strengen Initiation unterzogen, die ihn zu absoluter Geheimhaltung verpflichtet. Das ist in diesem Falle durchaus sinnvoll, aber nicht das Entscheidende."

Cunningham will damit ausdrücken, dass der „Oath“ oder Schwur nicht der eigentliche Zweck der Initiation ist – vom Übersetzer wird das einfach unter den Tisch gekehrt. Und von „strenger“ Initiation schreibt Cunningham auch nichts. 


Das Selbstweihe-Ritual (Seite 91 ff. Original)

Cunningham schreibt, dass man die Sätze für dieses Ritual entweder auswendig lernen soll oder auch improvisieren kann. Der Hinweis auf die Improvisation scheint Christiansen nicht gefallen zu haben, deshalb hat er das einfach weg gelassen (Seite 115 ff Übersetzung). 

Der Beginn des Rituals 

O Mother Goddess,
O Father God,
Answers to all the mysteries and yet mysteries unanswered


wird von Christiansen so übersetzt:

Oh Mutter Göttin,
Oh Vater Gott,
ihr Antworten auf alle Mysterien und selbst doch der Mysterien größte


Richtig wäre: „
(Ihr seid die) Antworten auf alle Mysterien und dennoch selbst unergründbare Mysterien ..

Für „
I breathe your energies into my body” verwendet der Übersetzer den Ausdruck “saugen” statt “atmen”.


Noch interessanter wird seine Übersetzung für Cunninghams Erklärung, wie man sich nach dem Ritual fühlt.

Cunningham schreibt:

You may feel bursting with power and energy, or calm and at peace. Your mind might be in a whirl. The Earth beaneath you may throb and undulate with energy. …

Also übersetzt: „
Es kann sein, dass du vor Energie platzt oder nur ruhig und im Einklang mit dir selbst bist. Es kann sein, dass dein Geist wie ein Wirbelwind ist. Die Erde unter dir könnte pochen und wogen vor Energie.

Waldemar Christiansen hat folgenden Vorschlag:

Es könnte sein, dass Sie nach dem Ritual voller Kraft und Energie sind oder auch ganz ruhig und friedlich. Ihr Geist ist danach möglicherweise wie ein Wirbelwind und die Erde unter Ihnen ein aufgewühltes Energiemeer.


Wie schon erwähnt, könnte ich hier noch Dutzend anderer dieser Übersetzungsfehler anfügen. Aber da dies den Rahmen der Rezension sprengen würde, belasse ich es bei den schon Aufgezählten.

Mein Fazit: „Wicca – A Guide For The Solitary Practitioner“ ist ein erstklassiges Buch, das einen hervorragenden Überblick über die Religion bietet. Aber Hände weg von der deutschen Übersetzung!