Die Energie und Ich - Teil 2

von Anufa Ellhorn


Nachdem ich im ersten Teil der persönlichen Energiearbeit das Zentrieren als eine meiner Grundlagen behandelt habe, ist es nun vielleicht an der Zeit noch einen Schritt weiter zu gehen.


Punkt zwei auf meiner Liste ist das bewusste Steuern des Energieflusses im und außerhalb des Körpers. Vor der Beschreibung weiterführender Übungen ist es mir sehr wichtig auf einige Punkte besonders hinzuweisen.

Sich selber einschätzen können

Bei allen Energieübungen ist es für mich unabdinglich, meinen Gesundheitszustand zu kennen. Bei schon ausgebildeten körperlichen Beschwerden (besonders Krankheiten, die bereits schulmedizinisch festzustellen sind oder medikamentös behandelt werden) ist besondere Umsicht geboten.
Meiner Erfahrung nach haben Krankheiten immer Auswirkungen auf die Energetik (sie entstehen für mich de facto aus energetischen Unausgewogenheiten) und lassen sich deshalb nicht von energetischen Geschehnissen isolieren. Manche meiner Probleme entstehen durch einen Energiemangel (diese werden sich dann möglicherweise durch meine Übungen bessern) andere aber entstehen durch einen Energieüberschuss oder -stau (diese werden dann möglicherweise von bestimmten Übungen verschlechtert). Bei Basisübungen, wie dem Zentrieren, zeigen sich ernsthafte Verschlechterungen des Befindens meiner Erfahrung nach selten bis nie. Trotzdem möchte ich nochmals auf die Eigenverantwortung zu sprechen kommen!
Niemand kann über meinen Körper und seine Befindlichkeiten so gut bescheid wissen, wie ich selber - so ist es für mich auch meine Verpflichtung, dieses Wissen als oberste Priorität an zu sehen. Dadurch lerne ich langsam zwischen Schmerz oder Unwohlsein als Warnung vor Gefahr oder als Hinweis auf Verbesserung meines Zustandes zu unterscheiden. Durch das Zentrieren beispielsweise ist es mir möglich, meinen Körper in seiner Ganzheit wahr zu nehmen. Langsam lerne ich die Reaktionen auf meine Aktionen zu verstehen und das bildet für mich eines der wichtigsten Werkzeuge. Denn es ist mir erst durch das Wissen um den "Normalzustand" möglich Veränderungen zu bemerken. Erst wenn ich sie bemerke, kann ich sie einordnen und somit sinnvoll mit diesen umgehen.


Fluss der Energie

Wie im Energiepool schon beschrieben, folgt meiner Erfahrung nach, Energie der Aufmerksamkeit und damit besonders der bewussten Atmung. Wenn ich also meinen Atem bewusst an eine bestimmte Stelle lenke, dann bildet sich an dieser Stelle nach einiger Zeit ein verstärkter Energiefluss aus. Das ist für mich zum Beispiel auch einer der Gründe, warum Schmerz durch Atmung verstärkt oder vermindert werden kann. Daraus folgt, dass ich bei einem Überschuss an Energie sicher nicht noch mehr davon an einen bestimmten Punkt lenken. Als Beispiel: Bei hohem Blutdruck oder Beklemmungsgefühlen in der Brust, sammle ich sicher NICHT noch mehr Energie im Oberkörper.


Wärmeübung

Nach der Zentrierung stelle ich mich wieder in die Ausgangsposition (Reiterstand) und atme einige Male in das bereits gefundene Zentrum meines Körpers. Danach erscheint es mir sehr sinnvoll, bei den Füssen zu beginnen (die Fußsohlen-Atmung beherrsche ich ja bereits) und langsam nach oben zu "wandern". Die Energie, die ich durch meine Lungen und durch meine Fußsohlen in den Körper bringe speichere ich dabei aber nicht in meiner Mitte, sondern fülle mich in meiner Gesamtheit damit auf. Dabei wird ein Gefühl der Wärme, des "Belebt seins", ein Kribbeln oder Pulsieren dem, durch die Atmung vorgezeichneten, Weg folgen.
Wie schon erwähnt, kann es möglich sein, dass sich eine mehr oder weniger unangenehme Unruhe breit macht, je höher der Energiepegel ansteigt. In diesem Falle breche ich die Übung nicht einfach ab, sondern lenke meine Aufmerksamkeit wieder in meine Mitte. Sollte sich der Zustand dann nicht ändern, lasse ich Energie abfließen (wie im ersten Teil beschrieben).
So ist es mit der Zeit möglich, meinen ganzen Körper mit Energie zu füllen.
Sobald das erreicht ist, kann ich damit beginnen, dieses Potential in bestimmten Körperregionen zu konzentrieren. Dabei werden sich bestimmte Empfindungen und Sinneseindrücke einstellen; Regionen in denen sich die Energie sammelt, können "größer werden", die Farbe ändern, ein Gefühl von Druck oder Schmerz verursachen oder ähnliches.
Wichtig ist nur, dass ich vor Beendigung jeder Übung wieder in mein Zentrum zurückkehre, den Fluss normalisiere und überschüssige Energie abgebe.


Innen und Außen

Natürlich ist es auch möglich, diese Energie nach außen fließen zu lassen. Auch hier wieder einer meiner Grundsätze.

Energiearbeit nach außen mache ich niemals ungefragt. Sollte ich mit einem Lebewesen in energetischen Kontakt treten, dann ist es unerlässlich vorher dessen Einwilligung zu haben. Alles andere sehe ich persönlich als Vergewaltigung an, auch wenn noch so gute Absichten dahinter stecken! Das gilt für mich für jegliche Art von Lebewesen. Energie kann für "Heilungszwecke" eingesetzt werden, aber auch nicht autorisierte Hilfe zur (Selbst-) Heilung fällt für mich unter diesen Grundsatz.
Eine Möglichkeit der Erweiterung der persönlichen Energiearbeit nach außen ist die Übung


Der Ball

Nach Zentrierung und Lenkung der Energie in die Hände, reibe ich die Handflächen aneinander. Langsam ziehe ich diese dann auseinander und lasse dabei die angestaute Energie nach außen, in den Raum zwischen den Handflächen, fließen. Je mehr Energie sich dabei ansammelt, desto weiter bewege ich die Hände auseinander - ungefähr bis zum Durchmesser eines Fußballs. Vielleicht sehe ich diesen Ball, vielleicht fühle ich ihn oder vielleicht weiß ich einfach, dass er da ist...
Auf diese Weise ist es möglich, Energie weiter zu geben. Ich kann damit beispielsweise Objekte aufladen (Nahrung energetisieren), Partnerübungen machen oder ähnliches.
Wenn ich diesen Ball zu Übungszwecken entstehen lasse, dann stelle ich die darin enthaltene Energie entweder (bei Bedarf) der Erde zur Verfügung oder ich "sauge" ihn wieder in mich selbst zurück. Aber ich bin angehalten aktiv etwas mit dieser Energie zu tun - mache ich das nicht, hat das meiner Erfahrung nach meistens Auswirkungen auf mein persönliches Energiesystem...


Sobald ich gelernt habe, die Energie innerhalb meines Körpers wahr zu nehmen und dann auch noch zu steuern, stellt sich wohl bald die Frage nach der Anwendbarkeit dieser neu entdeckten Fähigkeiten...

Heil mich mal!

Bei den schon beschriebenen Übungen, lerne ich nicht nur meinen Körper sehr gut kennen, sondern auch meine Gefühlswelt in Verbindung mit dem Zustand meines Körpers zu sehen. Leider hat diese Aufmerksamkeit auch einen Preis - wenn etwas nicht in Ordnung ist, dann lässt sich das auch nicht mehr so einfach unter den Teppich kehren, wie das in früheren Tagen noch funktionierte.
Rückenschmerzen können zum Beispiel ohne weiteres durch eine energetische Unausgewogenheit entstehen, die mein Denken oder Verhalten hervorbringen kann (die Fälle in denen die Schulmedizin nichts finden kann und die Diagnose in Richtung Psychosomatik deutet). Viele, die erste Erfahrungen in Körperarbeit gesammelt haben, greifen dann nicht mehr automatisch zum Schmerzmittel, sondern versuchen andere Wege zu gehen. Wenn ich nun bewusst meine Körperenergie ausgleiche, dann erleichtert mir das erfahrungsgemäß auch Veränderungen in Denk- und Verhaltensmustern. Nach meiner Erfahrung forme ich meinen Körper durch meine Aktivitäten genauso, wie dieser im Gegenzug durch sein Sein mein "Ich" formt. Das hat dann aber auch bestimmte Konsequenzen - nämlich, dass es in vielen Fällen nicht ausreicht eine Gewohnheit einfach durch Willenskraft abzustellen, wenn nicht gleichzeitig die "energetischen" Muster im Körper bearbeitet werden. Vice versa bringt es nur selten bleibenden Erfolge, Körperenergie um zu verteilen, aber an Denken und Verhalten nichts zu verändern.
Wenn aber beides Hand in Hand geht, dann sind weitreichende Veränderungen auch in fortgeschrittenem Lebensalter durchaus machbar. Was ich aber noch sehr selten gesehen habe, ist der Erfolg einer "Heil mich mal!" - Einstellung, ohne die aktive Arbeit des Betroffenen.


Ayurveda, TCM und Company

Wieder aus meinem Erfahrungsschatz geplaudert, bleibt es den meisten Menschen (einige Naturtalente ausgenommen) nicht erspart Energiearbeit tatsächlich zu erlernen. Einige Übungen hier und einige Kniffe dort, mögen durchaus schon Effekte zeigen - sinnvolle, nutzbringende und vor allem bleibende Ergebnisse lassen sich so aber meist nicht erzielen. Ich betrachte es als vollkommen nebensächlich, ob man dabei nach dem Regeln der chinesischen, tibetischen oder ayurvedischen Medizin vorgeht, sich mit Yoga, Chi-Gong oder Tai-Chi vertraut macht - ein System sollte dabei erkennbar sein. Auch scheint für viele "Westler" die Theorie dahinter genauso interessant und auch notwendig zu sein, wie die Praxis selber. Leider hat sich hier bei uns im Westen kein System dieser Art erhalten, wobei ich durchaus glaube, dass es sie hier genauso gab, wie überall sonst auf diesem Planeten.
Vorsicht - Was ich anfangs für wenig sinnvoll ansehe ist das Mischen der verschiedensten Theorien. Die chinesische Medizin sieht Dinge auf eine gewisse Art und Weise, die in kaum einer Weise mit der indischen Sicht übereinstimmt. Alles zusammen hat wieder mit den Gegebenheiten, die hinter Homöopathie stecken herzlich wenig zu tun. Um des Lernens und Spürens Willen, ist es besonders am Anfang sehr empfehlenswert - so schwer das auch fallen mag - sich für ein System zu entscheiden und in diesem erst einmal eine sichere Basis zu erarbeiten. Sich nach den Regeln der Ayurveda zu ernähren, Tai-Chi zu erlernen und Schüssler-Salze gemischt mit Bachblüten zu konsumieren scheint ja weit verbreitet zu sein, die Sinnhaftigkeit erlaube ich mir allerdings zu bezweifeln.


Sich selber auf Vordermann bringen...

ist keine einfache Sache und Betriebsblindheit ist weit verbreitet. Dies ist nicht die einzige Falle, oftmals folgt gleich die nächste, mit dem Titel "Weia, hab´ ich das nicht auch??". Deshalb ist es vielleicht ganz sinnvoll sich in die Hände von Erfahrenen zu begeben; ein Kurs, ein Schnupperwochenende, Vorträge, Beratungen und zusätzlich Literatur. Gerade in Fällen, wo es um eigene Körperwahrnehmungen und Einschätzung der eigenen Person geht, ist es vielversprechend, sich einmal die Meinung eines Außenstehende an zu hören. Damit will ich nicht sagen, dass andere Menschen uns besser einschätzen können, als wir das selber vermögen, aber der Blick von außen liefert oftmals mehr als wertvolle Zusatzinformationen, die das Bild unter Umständen um 180° drehen können.


Als erste Schritte

empfehle ich einen schulmedizinischen Check-Up. In meinen Augen ist es sehr wichtig, erst einmal Bescheid zu wissen, ob die subjektiv empfundenen Beschwerden (so sie vorhanden sind) bereits von einem Arzt diagnostiziert werden können oder noch unter dem Label "Psychosomatik" laufen. Bei den meisten wird es, so zu hoffen, bei zweiterem bleiben - dann kommt es nur noch auf die persönlichen Vorlieben und Möglichkeiten an.
Leider sind fast alle der "alternativen" Methoden mit finanziellem Aufwand verbunden. Deshalb ist es mehr als sinnvoll, sich vorher genau zu informieren, welchen Weg man einschlagen will, um die Kosten in Grenzen zu halten. Ein Mehr an fundierten Informationen (von möglichst in irgendeiner Art und Weise zertifizierten Praktizierenden der verschiedensten Richtungen) erleichtert die Entscheidung in vielen Fällen beträchtlich. Ich achte dabei nicht so sehr darauf, ob mir bestimmte Fakten des Systems zusagen, sondern ob das System in sich stimmig ist. Am wichtigsten erachte ich dabei die Möglichkeit der eigenständigen Mitarbeit und die Einbeziehung von Körper (tatsächliche körperliche Gegebenheiten), Geist (Denken, Verhaltensmuster) und Seele (Fühlen) - sozusagen ein Konzept, welches mich nicht von jemandem (Behandler, Kursleiter, Berater, etc.) abhängig macht und durch welches jedes Gebiet des menschlichen Lebens abgedeckt werden kann. Zusätzlich sind natürlich die Praxiserfahrungen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Ein System aus zu wählen, das mir zwar sehr logisch und schlüssig erscheint, bei dessen Behandlungen oder Übungen ich mich aber nicht wohl fühle und auch keinen positiven Nachhall merke, halte ich persönlich nicht für besonders zielführend.


Üben, üben, üben!

Habe ich mich für ein System entschieden, dann heißt es nur noch "Durchhalten und Dranbleiben!". Für mich ist ein sehr wichtiger Punkt die schon erwähnte Eigenständigkeit. Wenn ich z.B. selber zu Hause Übungen machen kann (die erlernt und nachfolgend auch kontrolliert werden), Prinzipien erklärt bekomme (um mein Verhalten besser verstehen und in weiterem Zuge, wo nötig ändern zu können) und dazu angehalten werde, selber zu spüren, merken, arbeiten etc. - dann fühle ich mich wesentlich besser aufgehoben als schlichtweg als Konsument, der zum Mechaniker kommt um repariert zu werden. Nun zu einigen Dingen, die den Weg zwar vielleicht etwas mühsamer aber dafür sicher komplikationsloser und zügiger machen.

Regelmäßigkeit ist ein wesentlicher Punkt, der Ergebnisse verdeutlicht. Wir haben die Möglichkeit uns Dinge als Gewohnheiten zu speichern - das gilt für schädliche Verhaltensweisen ebenso wie für nutzbringende. Je regelmäßige ich etwas tue, desto geringer erscheint mir der Aufwand. Auch setzt diese Regelmäßigkeit einen Kreislauf in Gang, der bei vielen von uns gestört oder vernachlässigt ist.
Zu Beginn ist es vielleicht nötig, sich darum zu bemühen, doch wenn Übungen dem Körper wirklich helfen (und die richtigen Übungen in korrekter Ausführung haben die Angewohnheit das zu tun...), dann verlangt der Körper nach einiger Zeit von ganz allein danach.

Konzentration ist meiner Erfahrung nach ebenfalls unerlässlich. Bei energetischen Übungen ist ein entscheidender Faktor der Fokus. Je konzentrierter ich bei der Sache bin, desto klarer und differenzierter ist die Wirkung. Energiearbeit, die so nebenbei, geleistet wird, ist in den meisten Fällen verlorene Zeit, weil die Ergebnisse genauso nebenbei ausfallen, wie die Übungen im Vorfeld.

Aufmerksamkeit erleichtert das Überblicken der Prinzipien von Ursache und Wirkung. Wie die Konzentration während der Übung die Wirkungsweise der Übung steigert, so steigt die Effektivität mit der Aufmerksamkeit. Oftmals gilt es erst einmal die Klarheit, mit der ich meinen Körper wahr nehme, weiter zu entwickeln. Viele Übungen zeigen ihre Wirkung erst einige Zeit nach Beendigung und ohne diese Körperaufmerksamkeit entgeht mir manch positiver Effekt (was wieder zu einem Gefühl der Sinnlosigkeit und zur Aufgabe der Übungen führen kann).

Hingabe ist ein Faktor, der in diesem Zusammenhang vielleicht etwas seltsam erscheinen mag. In meiner Praxis ist diese Einstellung allerdings schon fast ein Erfolgsgarant. Wenn ich gerne, mit Freude und einer offenen Einstellung an Übungen heran gehe, dann ist die Wirkung ungleich größer, als es missmutig, gezwungener Massen und skeptisch zu tun...

Weiterentwicklung entsteht langsam von ganz alleine, durch die Beschäftigung mit dem gewählten System unter Berücksichtigung der obigen Punkte. Manchmal kann es nötig sein, ein und dieselbe Übung jahrelang immer wieder durchzuführen - deshalb würde ich "Weiterentwicklung" unabhängig von Begriffen wie neu, anders, mehr etc. betrachten (besonders weil viele von uns auf "Schneller, höher, besser" getrimmt zu sein scheinen. Die Weiterentwicklung die ich hier meine, ist die auf einer tiefen menschlichen Ebene, die auch nach außen Wirkung zeigt - der Mensch wirkt ausgeglichen, ist zufrieden, fühlt sich wohl und erscheint gesund.


Allheilmittel?

In erster Linie betrachte ich Energiearbeit nicht als Heilmittel, sondern als tägliche Gewohnheit. Für mich gehört sie genauso zum Leben wie Schlafen und Essen. So wie diese beiden Faktoren die Gesundheit beeinflussen können, so vermag es auch das Wissen um die Körperenergetik und deren Anwendungen.